Do, 14. Dezember 2023 – Hermannsburg

Neuigkeiten vom Schwalbenhotel im Hermannsburger Örtzepark

Untersuchung von Standortbedingungen und Einsatz technischer Hilfsmittel zur Ansiedlung von Mehlschwalben

Im Jahr 2014 hat der NABU Hermannsburg/Faßberg im Örtzepark eine künstliche Nisthilfe für Schwalben, ein sogenanntes „Schwalbenhotel“, aufgestellt. Leider haben dort seit 9 Jahren keine Mehlschwalben gebrütet. Deshalb haben wir uns Gedanken über eine Verlegung des Schwalbenhotels an einen anderen Standort gemacht.

Im April wurde ich vom Vorstand beauftragt, mich um die Verlegung des Bauwerkes zu kümmern. Da Schwalben und Schwalbenhotels für mich Neuland waren, habe ich mich dem Thema, meinem ehemaligen Berufsleben als Ingenieur gemäß, analytisch genähert: Daten und Informationen sammeln, Literatur der Uni Trier und der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW/Schweiz) auswerten und daraus Maßnahmen ableiten.

Im ersten Schritt habe ich Kontakt zu einer Expertin des „Sicona Naturschutzsyndikats“ in Luxemburg aufgenommen, die sich schon im Jahr 2022 über den Status unseres Schwalbenhotels bei uns erkundigt hatte. Sie ist für den Artenschutz zuständig, derzeit schwerpunktmäßig mit der Frage, warum viele Schwalbenhotels unbesetzt bleiben, und hat unterstützende Maßnahmen entwickelt und in der Praxis erprobt. Ihr Institut berät Vereine und Personen, die Schwalbenhotels oder andere Nisthilfen aufgebaut haben. Nach ihrer Einschätzung ist unser Standort im Örtzepark nicht optimal. So gibt es hier etwa keine Mehlschwalbenkolonien oder hohe Bäume in der Nähe. Dabei stützt sie sich auf eine von ihr entwickelte Liste mit 7 Standortfaktoren.

Nachdem auch klar war, dass der in Betracht gezogene alternative Standort noch weniger geeignet ist, habe ich Mehlschwalbenkolonien in Hermannsburg ausfindig gemacht, deren Entfernung zum Schwalbenhotel ermittelt und beobachtet, dass die Mehlschwalben sich bis auf etwa 150 m unserem Schwalbenhotel nähern. Durch die Auswertung von Fachliteratur konnte ich die Checkliste der Expertin von 7 auf 16 Standortfaktoren erweitern sowie deren Signifikanz und weitere Bewertungskriterien hinzufügen.

Nun konnte ich daraus Maßnahmen für die Einrichtung eines attraktiven Standortes ableiten. Die erste Maßnahme ist der Einsatz einer Lockrufanlage, um die Schwalben auf die künstliche Nisthilfe aufmerksam zu machen, da diese eigentlich keinen Grund haben, einen Metallpfosten mit aufgesetztem Dach anzufliegen. Die Auswertung ergab auch, dass die Besiedelungswahrscheinlichkeit für unser Schwalbenhotel bei 50 bis 60 % liegt.

Zwei Männer stehen auf einer Hebebühne und installieren eine Lockrufanlage
Installation der Lockrufanlage
Foto: Kristina Basenau
Erste Schwalben erkunden die Nisthilfe
Erste Schwalben erkunden die Nisthilfe
Foto: Kristina Basenau

Ich erinnerte mich an einen Artikel im „NABU-Rundbrief 2023“, in dem Rainer Wauer aus Winsen (Aller) über den erfolgreichen Einsatz einer Lockrufanlage berichtete. Mit ihm konnte ich mir vor Ort diese Anlage anschauen beziehungsweise anhören und war begeistert von dem regen Treiben am Schwalbenhotel: ein herrliches Gezwitscher und akrobatische Flugmanöver der eleganten Flieger! Obwohl dieser Standort nach der Checkliste optimal erscheint, u.a. weil eine Mehlschwalbenkolonie in einer Entfernung von ca. 20 m existiert, blieb das Schwalbenhotel mehrere Jahre unbesiedelt, erst der Einsatz einer Lockrufanlage führte umgehend zum Erfolg!

Unsere NABU-Gruppe hat sich daraufhin entschieden, es auch mit einer Lockrufanlage zu versuchen, allerdings hat sich die Lieferung verzögert, so dass wir diese erst am 24. August am Schwalbenhotel anbringen konnten. Dies gelang, mit freundlicher Unterstützung der Fa. Mark Lindhorst aus Hermannsburg, sehr komfortabel und sicher mittels Hebebühne. Zusätzlich haben wir an einigen Nestern künstliche Kotspritzer mit Hilfe von Farbe angebracht, um eine bestehende Nutzung zu imitieren. Außerdem installierten wir noch eine Wildkamera mit Sicht auf die Nester. Beide Geräte werden durch Solarzellen mit Strom versorgt. Informationstafeln am Mast geben weitere Informationen über Mehlschwalben und die Lockrufanlage.

Die Brutzeit war zwar schon vorbei, aber die Mehlschwalben ziehen erst gegen Ende September gen Süden und somit besteht die Chance, dass sie auf der Jagd oder beim Durchzug durch die Lockrufe neugierig werden und das Schwalbenhotel als potentiellen Brutplatz fürs nächste Jahr inspizieren. Mehlschwalben sind ja im Gegensatz zu Rauchschwalben sehr gesellig.

Fazit: Der Standort wird für die Mehlschwalben, ursprünglich Felsenbrüter, mit der Lockrufanlage deutlich wahrnehmbar gemacht. Sie erhöht die Chance einer Besiedlung um 30 %. Wenige Tage nach der Installation des Gerätes, das die Lockrufe zeitweise abspielt, konnten die ersten, neugierigen Mehlschwalben und auch interessierte Beobachter begrüßt werden. Zitat einer Besucherin: „Im Schwalbenhotel im Örtzepark ist seit heute richtig was los. Es lohnt sich, das anzuschauen. Herrlich!“ und auch einige Tage später kam folgendes Feedback: „Am Schwalbenhotel ist wieder die Hölle los“.

Die Aufmerksamkeit der Schwalben zu erlangen ist der erste wichtige Schritt, was innerhalb einer Woche nach Installation der Lockrufanlage bei uns gelungen ist. Ob diese sich dann dort auch ansiedeln, hängt unter Umständen noch von anderen Faktoren ab, hierzu habe ich u.a. die Daten der 112 bekannten besiedelten Standorte von Schwalbenhotels der Fa. AGROFOR erfasst und ausgewertet. Diese Firma hat bereits ca. 600 Schwalbenhotels aufgestellt. Vor der Anschaffung eines Schwalbenhotels ist eine qualifizierte Standortbewertung empfehlenswert. Für eine erfolgreiche Besiedelung sind in erster Linie natürlich die Bedürfnisse der Schwalben und nicht der Menschen ausschlaggebend.

Die Recherchen und Studien zeigen, dass ein großer Teil der Schwalbenhotels im In- und Ausland (Luxemburg, Schweiz, Belgien, Niederlande) leider nicht belegt ist. Laut Studie der Uni Trier liegt die höchste Erfolgsquote einer Besiedelung innerorts bei 58 %, periphere Ortslage erreichen 46 % und außerhalb von Orten werden 36 % besiedelt. Tendenziell entspricht das auch den Ergebnissen meiner Auswertung der besiedelten Standorte.

  • Warum habe ich mich so intensiv mit dem Thema beschäftigt? Weil ich
  • Schwalben schon immer faszinierend fand,
  • viel über Schwalben lerne,
  • Freude daran habe,
  • eigene Kompetenz für Standortbewertungen erlangen möchte.

Schön war auch, dadurch Kontakt mit z.T. unbekannten Mitmenschen zu haben, ob am Schwalbenhotel, im Ort, am Telefon oder per E-Mail.

Vor der nächsten Brutsaison wird die Lockrufanlage im April wieder installiert und wir sind gespannt, ob eine Besiedlung unseres Schwalbenhotels im Örtzepark diesmal gelingt. Letztendlich entscheiden das die Schwalben! Meine Erkenntnisse möchte ich gerne mit Interessierten teilen.

Quellenangabe:

1. Monika Schulz, Sicona Artenschutzsyndikat

2. Oliver Wegener, Fa. AGRFOR

3. Ortwin Elle, Melinda Lanfer - Studie der Uni Trier: Welche Standortfaktoren beeinflussen die Besiedelung von Mehlschwalbentürmen?

4. Martina Gabay - Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW): Förderung von Mehlschwalben mit Schwalbenhäusern, eine Alternative zu Einzelnisthilfen

Autor: Dietmar Sieg

Kategorie: Artenschutz

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